"OP? Niemals!" Soll ich oder soll ich nicht?

Wo fange ich nur an? Das Thema Stoma hat eigentlich schon relativ  früh in meiner Krankengeschichte Platz eingenommen. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich ab einen gewissen Punkt schon irgendwie damit gerechnet, dass ich irgendwann nicht mehr drum herum kommen werde.

 

Es schien wirklich, als wenn sich mein Körper regelmäßig auf den Schenkel klopft und lachend sagt: „Netter Versuch, Lotte! Und mit welchem Medikament möchtest Du als nächstes starten?“ Es hat einfach nichts angeschlagen, außer dem blöden Kortison. Und gerade in meinen besonders schlimmen Phasen habe ich viel über die Dickdarmentfernung und deren Konsequenzen gelesen.

 

Es war wirklich ein hin und her in mir. Machen? Nicht machen? Alle Medikamente hatte ich ja auch noch nicht durch. Wer weiß, ob man nicht doch noch die Kurve bekommt.

 

Im Sommer 2017 hat mir meine damals behandelnde Ärztin empfohlen, mich einfach in der Chirurgie zu informieren. Vielleicht kann mir der Termin die Angst vor der OP nehmen, dachte ich. Es gibt so viele andere Kämpferinnen und Kämpfer, die dankbar für die OP sind und endlich ihr Leben zurück haben. Und genau darum ging es mir. Ich wollte mein Leben wieder selbst in der Hand haben und mir nicht vom Ulceröschen meinen Tag diktieren lassen.

 

Ich habe also einen Termin in der Chirurgie vereinbart. Kennt ihr Grey´s Anatomy? Kennt ihr Christina Yang? Eine sehr gute Ärztin, aber irgendwie keinerlei Einfühlungsvermögen. Multipliziert dies mit 100. Ungelogen!

Nur kurz angemerkt: Ich brauche wirklich niemanden, der mir über den Kopf tätschelt und mir sagt was ich für ein armes Hascherl ich bin. Aber ein Stück Empathie ist bei so einem Termin sicherlich nicht zu viel verlangt. Wie dem auch sei, mein Mann und ich saßen in diesem riesigen Behandlungsraum und hatten auf ein freundliches und informatives Gespräch gehofft.

 

„Sie sind doch viel zu jung für die Dickdarmentfernung!“

Okay?! Ob sie meine Akte auch wirklich gelesen hat? Ich hatte meine Zweifel.

 

„Sie müssen halt wissen ob wir sie einmal von oben nach unten aufschneiden sollen“

Ähm... was soll ich da als Patientin noch sagen?

 

„Wenn der Dickdarm einmal raus ist, dann war´s das. Dann gibt es kein zurück mehr“.

Mach´ Sachen! Ich dachte, den Dickdarm kann man einfach wieder reinschubsen wenn man merkt, dass das doch eine Schnapsidee war.

 

*Ironie aus*

 

Wenn ich vorher bereits beim Arzt über die Dickdarmentfernung gesprochen habe, kamen mir immer und grundsätzlich die Tränen. In dem Fall war es aber nicht nur wegen der OP, sondern weil ich so sauer und fassungslos über das Verhalten dieser Ärztin war. Zur Krönung gab es dann noch folgenden Spruch

„Was heulen Sie denn?“ Ich habe nur noch nach Luft geschnappt. Mein Mann hat ihr dann versucht zu erklären, dass dies vielleicht kein einfaches Thema in meinem Alter ist. Wir sind gegangen.

 

Somit war das Thema OP für mich erst einmal gestorben! Never! Keine Chance! Dann nehme ich einfach mein Leben lang Kortison, mir egal. Solange noch kein Krebs da ist kann ich das ja so lassen und vielleicht gibt es dann irgendwann ein Heilmittel. OP? Niemals!

 

So war erst einmal der Stand der Dinge. Bis zur nächsten Darmspiegelung. Die doofe Stenose war echt hartnäckig und die Spiegelung musste schon wieder abgebrochen werden. Es war echt noch ein innerer Kampf, aber letztlich habe ich dann die Klinik gewechselt und meine mich auch aktuell noch behandelnde Ärztin, hat mir zur OP geraten. Minimalinvasiv. Nix von oben nach unten aufschneiden. Ein kleiner Schnitt in der Bikinizone und 5 kleine punktuelle Zugänge. „Sie sind jung, sie sind schlank, ich habe keinerlei Bedenken, dass wir das ohne Komplikationen hinbekommen.“ Natürlich haben wir über eine 5-stündige OP gesprochen, über einen zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt, einen kritischen Flüssigkeitshaushalt, aber im Vordergrund stand immer das Positive. Ich bekomme mein Leben wieder! Mein Krebsrisiko ist minimiert. Ich kann wieder Pläne machen!

 

Was mir am wichtigsten war Ich konnte mich psychisch auf die OP einstellen. Ich musste die OP nicht wegen eines Darmdurchbruchs machen lassen (das wäre auf kurz oder lang passiert). Ich habe den Zeitpunkt selbst bestimmt und konnte mich vorbereiten. Auch wenn ich eigentlich keine Wahl hatte, hatte ich doch das Gefühl, die Entscheidung selbst getroffen zu haben. Das weiß ich sehr zu schätzen, nachdem ich auch von anderen Leidensgenossen gelesen hatte, die keine Sekunde darüber nachdenken konnten, weil z.B. eine Not-OP anstand. Für mich persönlich war es die beste Entscheidung die ich treffen konnte. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Betty (Mittwoch, 24 Oktober 2018 21:55)

    Hallo, bei mir wurde 2013 CU diagnostiziert und ich habe so lange gebraucht, zu begreifen, dass ich diese Krankheit nie mehr los werde. Ich weiß nicht, was der Auslöser war; Stress, Antibiotikum, oder sonst was. Ich bin der OP noch einmal davon gekommen mit Entyvio-Infusionen und Metex-Spritzen. Ich versuche gesund und entspannt zu leben (was mit zwei Kindern 9 und 4 nicht besonders leicht ist) . Ich habe keine Ahnung , wie lange es mit der heutigen Therapie gut geht Aber ich genieße jeden Tag. Jedoch der tägliche Gang zum Klo ist immer eine kleine Belastung begleitet von Angst. Ich finde, dass du deine "Geschichte " ganz toll geschrieben hast. Sollte ich mal wieder in so einer Situation sein, werde ich an dich denken. Viele liebe Grüße