Was die Arbeit angeht bin ich wie ein Duracell-Häschen. Ich werkel und mache und tue und vergesse manchmal welch ein Pensum ich sowieso schon habe. Ich hatte Spaß bei der Arbeit, ich hatte eine sehr gute leitende Position und es lief einfach wie am Schnürchen. Zu Hause zu bleiben stand nicht zur Debatte.
Aber ich war angeschlagen - meine Kondition und ich gingen getrennte Wege.
In der Anfangszeit hatte ich noch Glück, dass mein Darm nur Vormittags aktiv war und den Rest des Tages, bis zum Abend, meistens Ruhe gegeben hatte. Ich kam also relativ gut durch den Tag und konnte auch in der Arbeit mein Pensum vorerst beibehalten. Meine Ernährung hatte ich mehr oder weniger auf Schonkost umgestellt bzw. habe alles weggelassen was Säure enthält oder den Darm reizen könnte. Ich war felsenfest davon überzeugt, das schon wieder in den Griff zu bekommen.
Pustekuchen! Es ging bergab. Ehe ich mich versah waren die ersten 5 Kilo runter und ich habe kaum noch geschlafen. Von Tag zu Tag wurde ich müder und nicht nur die Vormittage war der Darm aktiv sondern mittlerweile auch in der Nacht. Ich war durch!
Die zweite Darmspiegelung stand an. Diese war ursprünglich nur als reine Nachsorge gedacht, deshalb "ein kurzer Blick ohne Narkose und gut ist". Herrje! Nie wieder! Anfangs war noch alles fein, aber die Spiegelung wurde dann doch sehr schnell beendet, weil der Doc gesehen hat, dass mein Ulceröschen es sich bei mir gemütlich gemacht hat. Und los ging es mit dem Kortison. Kleine Dosis, wir wollen ja das Mondgesicht nicht herausfordern.
Anfangs hat das Kortison auch genau das getan was es sollte. Die Entzündung war unter Kontrolle. Bis zu dem Zeitpunkt an dem es ans Ausschleichen ging. Also wieder rauf mit dem Kortison. So ging das erst mal hin und her und es wurde immer schlechter und ich wog immer weniger.
Aus den gesamten drei Jahren Kampf gegen das Ulceröschen ist mir mein erster Schub im Sommer 2015 am prägnantesten in Erinnerung geblieben. Damals wusste ich einfach nicht wie mir geschah! Ich war darauf nicht vorbereitet. Ich war mit der Situation komplett überfordert - wie wahrscheinlich alle um mich herum auch.
Ich habe mich von Crackern ernährt und von Tee. Eigentlich ausschließlich von Tee. Auf Zimmertemperatur, nicht zu kalt, nicht zu warm. Am besten einfach im Mund lassen, bis er die richtige Temperatur hat - damit kann man nichts falsch machen. Manchmal gab es eine Brezel oder ein Hörnchen vom Bäcker. Mein Lager habe ich auf dem Sofa aufgeschlagen. Von hier hatte ich den kürzesten Weg zur Gästetoilette. In der Arbeit bin ich mehrere Wochen ausgefallen und habe mein Vorhaben, vom Laptop aus zu arbeiten ganz schnell an den Haken gehängt. In die Praxis von meinem Papa habe ich mich regelrecht geschleppt und bin die Stufen bis in den ersten Stock kaum nach oben gekommen. Durch den massiven Blutverlust habe ich auch noch Herzrythmusstörungen bekommen.
Es ging einfach nichts mehr. Irgendwann hat mein Darm so massiv gegen alles rebelliert, dass ich mich auch noch regelmäßig übergeben musste. Die Tabletten blieben nicht mehr drin, der Flüssigkeitshaushalt war im Keller und letztlich lag ich vor Schmerzen gekrümmt auf dem Teppich im Badezimmer und habe wimmernd meinen Papa angerufen. Um 3 Uhr Nachts hing ein Cocktail aus Flüssigkeit und Schmerzmitteln von der Deckenlampe im Wohnzimmer herunter und hat dafür gesorgt, dass ich ein paar Stunden Schlaf bekomme.
Diese Szene und der besorgte Blick von meinem Doc, hat mir zum allerersten Mal signalisiert, dass nichts mehr so sein würde wie früher. Und da kam sie auf einmal die ganz große Angst. Wie soll ich wieder auf die Beine kommen?
Kurz darauf hatte ich einen Beratungstermin für die Gabe von Azathioprin. Cortison ist ein sehr wichtiger Helfer, aber keine Dauerlösung. Dass das Cortison und ich fast drei Jahre miteinander verbunden sein würden hatte zu dem Zeitpunkt auch keiner ahnen können. Aber wie bei jeder neuen Therapie und jedem neuen Medikament wuchs die Euphorie und der Optimismus.
Diesmal klappt es wirklich. Ernsthaft? Ernsthaft!
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